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Ein Problem wird zur Lösung â mit V2X
Eins ist klar: Wir mĂŒssen nachhaltiger leben. Und zwar alle. Wenn wir die ErderwĂ€rmung so gering wie möglich halten wollen. Darum setzen wir zu 100% auf E-MobilitĂ€t. So rasch wie möglich werden all unsere rund 3'000 Fahrzeuge elektrisch sein. Die zunehmende E-MobilitĂ€t ist zwar ein positiver Trend, verstĂ€rkt aber ebenso den ElektrizitĂ€tsbedarf und wird Herausforderungen in der NetzstabilitĂ€t mit sich fĂŒhren. Schon in den nĂ€chsten Jahren könnten Blackouts absehbar sein, insbesondere in den Wintermonaten. Das Projekt «V2X Suisse» will mit vereinten KrĂ€ften fĂŒr Lösungen sorgen.
Autos mit richtig Power
Die grundlegende Idee beim bidirektionalen Laden besteht darin, dass Elektroautos nicht nur Strom verbrauchen, sondern auch Strom ins Netz zurĂŒckspeisen können, wenn sie gerade nicht gefahren werden. Dazu sollte man wissen, dass ein Privatauto im Durchschnitt am Tag bis zu 23 Stunden rumsteht. Die sogenannten «Stehzeuge» werden also zu mobilen Powerbanks, die sich zu einem grossen Energiespeicher zusammenschliessen lassen, Ă€hnlich einem Stausee. So können Haushalte quasi den Strom in Spitzenzeiten von den Elektroautos abzapfen, wĂ€hrend diese sich ĂŒber Nacht zu einem gĂŒnstigeren Tarif wieder komplett aufladen. Ein Auto mit 11 Kilowatt Leistung liefert in einer Stunde mehr Strom als ein Schweizer Haushalt am Tag durchschnittlich verbraucht.
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Was ist «V2X-Suisse»?
Das zeitlich begrenzte Forschungsprojekt lief operativ von Herbst 2022 bis FrĂŒhling 2024. Dabei wurden 50 bidirektionale Honda-e-Autos in den regulĂ€ren Carsharing-Betrieb von Mobility integriert. Es war der erste grossflĂ€chige Test mit bidirektional ladenden E-Autos in der Schweiz. Er sollte zeigen, wie sich dank dieser Technologie Lastspitzen im Stromnetz brechen lassen und wie Standorte mit Solaranlagen ihren Eigenverbrauch optimieren können. Zudem wollte man das betriebswirtschaftliche Potenzial von bidirektionalen Fahrzeugen in der Schweiz untersuchen und den Wettbewerb zwischen den potenziellen FlexibilitĂ€tsabnehmern auf drei Netzebenen (Swissgrid, Verteilnetzbetreiber und Zusammenschluss zum Eigenverbrauch) testen.
Fazit: Das Projekt hat die technische Machbarkeit bewiesen und der bidirektionalen Technik Schwung verliehen. Es zeigte auf, dass neben dem bewĂ€hrten V2H (Vehicle-to-Home) auch V2G (Vehicle-to-Grid) technisch funktioniert, sowohl netz- als auch systemdienlich. Ein wirtschaftlicher Betrieb fĂŒr ein Carsharing-Unternehmen rechnet sich aktuell aber noch nicht.
Nebst Mobility waren folgende Unternehmen bei dem Projekt dabei: Automobilhersteller Honda, Software-Entwickler sun2wheel, Ladestationen-Entwickler EVTEC, Aggregatoren tiko, wissenschaftliche Begleitung durch novatlantis, in Zusammenarbeit mit der ETH. Das Projekt wird durch das Pilot- und Demonstrationsprogramm des Bundesamts fĂŒr Energie BFE unterstĂŒtzt.
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Begriffe
V2H (Vehicle-to-home)
Bidirektional ladefĂ€hige E-Autos können nicht nur elektrische Energie zu Fahrzwecken speichern, sondern auch wieder in das Haus zurĂŒckspeisen. Vehicle-to-home ermöglicht somit die Versorgung des eigenen Haushalts mit der gespeicherten elektrischen Energie aus dem eAuto. Die gesamten Lade- und RĂŒckspeisevorgĂ€nge finden hinter dem HauszĂ€hler statt und wird hĂ€ufig eingesetzt um die Eigenversorgungsquote mittels Solarstromanlagen zu steigern.
V2B (Vehicle-to-building)
Wie bei Vehicle-to-home können bidirektional ladefĂ€hige E-Autos nicht nur elektrische Energie zu Fahrzwecken speichern, sondern auch wieder in das GebĂ€ude mit mehreren BezĂŒgern zurĂŒck speisen. Vehicle-to-building ermöglicht somit die Versorgung des eigenen Mehrfamilienhauses oder Gewerbe-/Industriebetriebes mit der gespeicherten elektrischen Energie aus dem eAuto, oft auch als Teil einer eAutoflotte. ZusĂ€tzlich können durch Peak-Shaving gebĂ€udeinterne Lastspitzen gekappt werden. Die gesamten Lade- und RĂŒckspeisevorgĂ€nge finden hinter dem elektrischen GebĂ€udeanschluss statt.
V2G (Vehicle-to-grid)
Bidirektional ladefĂ€hige eAutos können nicht nur elektrische Energie aus dem Netz entnehmen, sondern als Teil eines intelligenten Energiesystems auch wieder in das Netz einspeisen. Dieser Vorgang wird durch Signale des Verteil- oder Ăbertragungsnetzbetreibers gesteuert und kann sowohl auf öffentlichen LadeplĂ€tzen als auch innerhalb von GebĂ€uden ĂŒber den Netzanschluss erfolgen. Die V2G Lade- und EntladevorgĂ€nge einer grösseren Anzahl von E-Autos (Pooling) dienen im Energiehandel und zu Stabilisierungszwecken als Dienstleistungen sowohl im Verteil- als auch im Ăbertragungsnetz. Vehicle-to-grid ermöglicht somit die intelligente Sektorenkopplung.
V2X (Vehicle-to-everything)
V2X gilt als Sammelbegriff fĂŒr alle obigen Anwendungen und drĂŒckt auch die kombinierte Anwendung mehrerer Betriebsarten aus. So können z.B. bidirektional ladefĂ€hige eAutos in einer Einstellhalle einer grösseren Liegenschaft sowohl zur Eigenverbrauchoptimierung und fĂŒr Peak-Shaving Zwecke (V2B) als auch zum Erbringen von Netzdienstleistungen (V2G) verwendet werden. Die autonome Versorgung von Einzelverbrauchern und Inselnetzen wie auch das Laden anderer eAutos vervollstĂ€ndigen das Bild.
HĂ€ufige Fragen
Wie weit ist die bidirektionale Ladetechnologie?
Es gibt erste Hersteller in der Schweiz und international, welche technisch ausgereifte bidirektionale Ladestationen mit CHAdeMO Steckern auf den Markt gebracht haben. Diese sind im Vorfeld in mehrjĂ€hrigen Versuchen ausfĂŒhrlich getestet worden. Das bidirektionale Laden ĂŒber CCS Stecker wird momentan erst von einem Schweizer Fabrikat ermöglicht. In Japan wiederum ist die bidirektionale Ladetechnologie seit Jahren bei jedem Elektromobil Pflicht.
Ist bidirektionales Laden in der Schweiz erlaubt?
GrundsĂ€tzlich ist bidirektionales Laden mit dem Betrieb stationĂ€rer Batterien gleichzusetzen. Falls die Ladeinfrastruktur die VSE Empfehlung Netzanschluss fĂŒr Energieerzeugungsanlagen (NA-EEA) und der technischen Normen fĂŒr elektrische Sicherheit und elektromagnetische VertrĂ€glichkeit, ist sie bei der Anmeldung beim Verteilnetzbetreiber bewilligungsfĂ€hig. Ab 01.01.2022 können bidirektionale Ladestationen regulĂ€r mittels aktualisiertem technischem Anschlussgesuch (TAG) angemeldet werden.
Können alle Elektromobile bidirektional geladen werden?
Nein, leider noch nicht. GrundsĂ€tzlich können alle japanischen Elektrofahrzeuge bidirektional laden, weil dies vom japanischen Staat vorgeschrieben ist. Möglich ist bidirektionales Laden vor allem bei Fahrzeugtypen mit CHAdeMO, in einem Fall jedoch auch mit CCS Schnelladekabel. Generell benötigt bidirektionales Laden die Genehmigung des Fahrzeugherstellers und die Zertifizierung der Ladestation fĂŒr den jeweiligen Fahrzeugtyp.
In der Schweiz verfĂŒgbare Steckerfahrzeuge fĂŒr bidirektionales Laden (Stand August 2021):
Fahrzeug | Stecker |
Nissan Leaf, e-NV-200 (Lieferwagen) und EVALIA (Kleinbus) | CHAdeMO |
Mitsubishi i-MiEV, Outlander und Eclipse Cross | CHAdeMO |
Peugeot iOn und Citroën C-Zero | CHAdeMO |
Honda e | CCS |
Mehrere Fahrzeughersteller haben fĂŒr die nahe Zukunft die Belieferung des Marktes mit bidirektional ladbaren Elektromodellen angekĂŒndigt. Generell ist mit der EinfĂŒhrung einer internationalen Norm bis 2025 zu rechnen, welche auch das bidirektionale Laden mit CCS Ladesteckern verbindlich regeln wird.
Schadet bidirektionales Laden meiner Fahrzeugbatterie?
Jahrelange Praxis und wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, dass Lithiumbatterien sehr robust sind. Ausserdem haben die neuesten technischen Entwicklungen eine nochmals erhöhte Lebensdauer der Batterien zur Folge. Da die Entladeleistung beim bidirektionalen Laden im Vergleich zum Fahrbetrieb viel geringer ist (Faktor 10 und mehr), ist die zusĂ€tzliche Alterung der Batterie Ă€usserst gering. Die Zulassung von Fahrzeugmodellen fĂŒr den bidirektionalen Ladebetrieb durch deren Hersteller beinhaltet auch die Beibehaltung der vollstĂ€ndigen Garantieleistungen.
Was bedeuten bidirektionale Ladestationen fĂŒr die bestehende Stromnetz-Infrastruktur des betreffenden GebĂ€udes?
Durch die Zwischenspeicherung und gezielte RĂŒckspeisung ins GebĂ€ude von selbst produzierten Solarstrom wird die Eigenverbrauchsquote einer Liegenschaft oder eines Areals mit Photovoltaikanlage erhöht und somit die Bezugskosten elektrischer Energie vermindert. Der bidirektionale Anschluss von Fahrzeugen ermöglicht ausserdem den Abbau von Leistungsspitzen, indem die Batterien lastgesteuert entladen werden. Durch diese RĂŒckspeisung werden fĂŒr den Anwender eine Reduktion der Netzkosten durch Einsparungen beim Leistungstarif erzielt. Bei einer grösseren Anzahl zurĂŒckspeisender Fahrzeuge kann die Ladeleistung der Ladeinfrastruktur sogar ĂŒber die KapazitĂ€t der installierten Anschlussleistung gehoben werden.
Was kann V2X zur StabilitÀt der Stromversorgung beitragen?
Durch gebĂŒndeltes Laden und Entladen von Fahrzeugen können Ăberlastungen des Netzes z.B. durch unregelmĂ€ssig einspeisende Solarstrom- oder Windkraftanlagen abgebaut werden. 100'000 ans Netz angeschlossen Elektrofahrzeuge mit je ±10 kW stellen z.B. eine dezentrale Regelleistung von ±1 GW dar. Dies entspricht der Leistung des grössten Schweizer Pumpspeicherwerks Limmern. Die HĂ€lfte der in den 100'000 Batterien speicherbaren Energie reicht aus, um 200'000 durchschnittliche EinfamilienhĂ€user einen Tag lang mit Strom zu versorgen.
Ohne Partner geht es nicht
Wie «V2X» in einer realen Umgebung funktioniert, zeigt ein Besuch beim Tessiner Verteilnetzbetreiber Azienda Elettrica di Massagno (AEM). Im Tessin wurden verschiedene HĂ€user zu einem Zusammenschluss zum Energieverbrauch verknĂŒpft. Hier erfĂ€hrst du, wie die Ăberproduktion aus Fotovoltaikanlagen tagsĂŒber in den Batterien der Autos gespeichert wird. Abends, wenn die PV-Anlagen keinen Strom mehr produzieren, fliesst die Energie aus dem Auto zurĂŒck ins Netz. Erst wenn die Energie aufgebraucht ist, wird das lokale Stromnetz angezapft.
Ebenfalls ein wichtiger Aspekt ist die NetzstabilitĂ€t. Experten auf diesem Gebiet finden sich beim ZĂŒrcher Unternehmen «tiko». Dort behĂ€lt man das Angebot und die Nachfrage im Blick und zapft nach Bedarf Strom ab oder speist ihn ins Netz ein. Erfahre, dass Netzstabilisation in der Schweiz mittels V2X-Elektroautos technisch machbar ist.