Bahnbrechend: Mobility-Elektroautos gegen Stromknappheit

Strom – in unserer hochtechnologischen 24-Stunden-Gesellschaft ein zunehmend knappes Gut. Auch Elektroautos tragen ihren Teil zur steigenden Netzbelastung bei. Mobility lanciert nun eine mögliche Lösung: Carsharing-Elektroautos sollen bidirektional laden – also Energie ins Stromnetz zurückspeisen, wenn sie stillstehen.

07.02.2022

  • Zukunft

Den Elektroautos gehört die Welt. So auch bei Mobility: Bis spätestens 2030 werden wir all unsere 3’000 Fahrzeuge auf elektrischen Antrieb umstellen. Was toll ist für die Umwelt, bringt Herausforderungen in Stromverbrauch und Netzstabilität mit sich. Eine EBP-Studie rechnet vor: Wenn in zwanzig Jahren 60% des Autoverkehrs elektrisch fahren, beträgt der Strombedarf der E-Autos rund 6,5 TWh oder 11% des heutigen Stromverbrauchs in der Schweiz. Das mag erst nach wenig klingen – aber wenn man bedenkt, dass die Kraftwerke Beznau, Gösgen und Leibstadt total 22 TWh Energie produzieren und bis dann vom Netz genommen sein werden, sieht man die Tragweite. 

« Die Elektromobilität der Zukunft ist geteilt, bidirektional und netzdienlich. »
Marco Piffaretti

Mobility stampft Projekt mit verschiedenen Partnern aus dem Boden

Das neu gegründete Projekt V2X Suisse packt diese Herausforderung nun mit vereinten Kräften an. Mobility spannt mit Autoherstellern (Honda), Software-Entwicklern (sun2wheel AG), Ladestationen-Entwicklern (EVTEC), Flexibilitätsabnehmern (tiko), Wissenschaftlern (Novatlantis und ETH) sowie dem Bund (Bundesamt für Energie) zusammen. «Gemeinsam werden wir bidirektional ladende Autos raschestmöglich auf die Strasse bringen. So können wir dringend benötigte Erfahrungen sammeln», erklärt Marco Piffaretti, Projektleiter von V2X Suisse und Elektromobilitätsexperte bei Mobility. Denn: Noch gibt es kein Praxiswissen, was die technischen, regulatorischen und organisatorischen Herausforderungen von bidirektionalem Laden betrifft. «Wir gehen als Pioniere voran und werden Resultate liefern, die dieser Technologie einen Schub verleihen werden», freut sich Piffaretti.

Test mit 50 Autos

Bis September 2022 laufen die gemeinsamen Vorbereitungen. Ab dann sind während eines Jahres 50 Honda e an rund dreissig Mobility-Standorten in der ganzen Schweiz mietbar. Dies wird das erste Mal sein, dass bidirektional ladende Elektroautos im Mobilitätsalltag im Einsatz stehen werden. Merken wirst du als Kundin bzw. Kunde nichts davon. Die Energie wird lediglich während 15 Minuten zurück ins Netz gespiesen, sodass du immer genug Saft für deine Carsharing-Fahrten hast.

« Der Mobility-Strom kann helfen, Engpässe zu überwinden. »

Da läppert sich ganz schön was zusammen

Die langfristige Perspektive sieht dabei vielversprechend aus: Steht ein bidirektionales Mobility-Elektroauto still, kann es bis zu 20 Kilowatt Regelleistung zurück ins Stromnetz speisen. Das würde auf die gesamte Carsharing-Flotte gerechnet 60 Megawatt ergeben – eine grössere Leistung, als sie beispielsweise das Tessiner Pumpspeicherkraftwerk Peccia bereitstellen kann. Regelleistung, die hilft, Engpässe im Übertragungs- und Verteilnetz zu minimieren und teure Netzausbauten im Verteilnetz zu verhindern, zu verringern oder zu verzögern. Marco Piffaretti ist sich deshalb sicher: «Die Elektromobilität der Zukunft ist geteilt, bidirektional und netzdienlich.» Weltweit erstmalig kommt bei V2X Suisse der Combo-CCS-Ladestecker zum Einsatz, der europäische Steckerstandard für Gleichstrom.

Ehrgeizige Ziele

V2X Suisse setzt sich bis zum Projektabschluss Ende 2023 eine hohe Messlatte: Erstens will man das betriebswirtschaftliche Potenzial von bidirektionalen Fahrzeugen in der Schweiz beweisen. Zweitens soll ausgelotet werden, wie oft sich dank dieser Technologie Lastspitzen im Stromnetz brechen lassen und wie Standorte mit Solaranlagen ihren Eigenverbrauch optimieren können. Und drittens soll der Wettbewerb zwischen den potenziellen Flexibilitätsabnehmern auf drei verschiedenen Netzebenen (Swissgrid, Verteilnetzbetreiber und Zusammenschluss zum Eigenverbrauch) getestet werden.

V2X SUISSE: TECHNISCHE DETAILS

V2X Suisse operiert in der ganzen Schweiz und damit unter unterschiedlichen «Netzqualitäten». 25 bis 30 Standorte mit total 50 Mobility-Elektroautos mit bidirektionaler CCS-Fähigkeit (bis je max. +/–20 kW) sind geplant. Es kommen zwei verschiedene Arten von Ladestationen zum Einsatz: einerseits spezifisch für dieses Projekt entwickelte, bidirektionale DC-Ladestationen von EVTEC mit doppeltem und kombinierbarem CCS-2x10kW-Ausgang, andererseits bidirektionale DC-Ladestationen mit einfachem CCS-1x10kW-Ausgang. Beide sind mit Rundsteuerempfänger für die Verteilnetzbetreiber sowie mit einer digitalen Schnittstelle ausgestattet. Hierfür braucht es die Entwicklung einer Cloud-to-Cloud-IT-Plattform, welche bei jedem Mobility-Elektroauto die verfügbaren Regelleistungen im Viertelstundentakt verwaltet (d.h. anbietet, zuordnet, freigibt, allenfalls direkt regelt und «zählt», um eine Abrechnung zu ermöglichen/kontrollieren). Diese von sun2wheel entwickelte Cloud-to-Cloud-Lösung verbindet die Verfügbarkeits-Inputs der Mobility-Buchungen mit dem für Swissgrid relevanten Aggregator tiko.

« Was hältst du von unserer Idee, gegen Stromknappheit vorzugehen? Schreibe es in die Kommentare. »

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