Mobility hat Grosses vor: Bis spätestens 2030 wird die gesamte Flotte – aktuell rund 3'000 Fahrzeuge – elektrisch sein. So erfreulich die Entwicklung in der Schweiz hin zur E-Mobilität ist, so vielfältig sind die damit verbundenen Herausforderungen. Denn je mehr Elektrofahrzeuge, desto höher der Strombedarf. Und je höher der Bedarf, desto anspruchsvoller wird es, die Netzstabilität zu gewährleisten. Diese ist für eine zuverlässige und sichere Landesversorgung unverzichtbar.
Hier setzt das im September 2022 lancierte Projekt «V2X Suisse» an. Die Idee: Elektroautos verbrauchen nicht nur Strom. Dank bidirektionalen Ladesäulen können sie Energie ins Netz zurückspeisen. Für die technische Umsetzung dieses Vorhabens holte Mobility verschiedene Partner aus der Wirtschaft ins Boot, darunter das Unternehmen tiko mit Sitz in Zürich. «tiko verfolgt seit seiner Gründung 2012 den Ansatz, dezentrale Stromgeräte und Batterien zu vernetzen und für die Stabilisierung der Netze zu nutzen», erklärt Stefan Dörig, Leiter Regulierung. «Die V2X-Technologie ist für uns nichts radikal Neues.» Neu ist für Dörig und sein Team, dass Elektroautos eines Carsharing-Unternehmens als Mini-Kraftwerke fungieren. Das sei nicht zuletzt deshalb spannend, weil Mobility über einen Pool von Fahrzeugen verfüge. «Die Tatsache, dass wir mit den Elektrofahrzeugen Assets nutzen können, die bereits vorhanden sind, macht V2X nicht nur wirtschaftlich interessant, sondern auch ökologisch. Mobility beweist einmal mehr Innovationsgeist», so Dörig.
tiko sorgt für die Netzstabilität
Auch Aby Chacko, Leiter Energy Services bei tiko, steckt viel Energie in das Projekt: «Die Herausforderungen bezüglich der Energieversorgung werden in Zukunft nicht kleiner – im Gegenteil. Elektromobilität kann hierbei ein wichtiger Teil der Lösung sein.» Dies mitunter, weil Autos in der Schweiz im Durchschnitt 23 Stunden pro Tag herumstehen. Dank V2X werden die sogenannten «Stehzeuge» zu Powerbanks, die sich zu einem grossen Energiespeicher zusammenschliessen lassen. So können Netzbetreiber und Haushalte den Strom zu Spitzenzeiten quasi von den Elektroautos beziehen, während diese sich später zu einem günstigeren Tarif aufladen. «Unsere Aufgabe bei tiko ist es, das Angebot und die Nachfrage im Blick zu behalten und nach Bedarf Strom abzuzapfen oder ins Netz zu speisen», erklärt Aby Chacko. Damit leistet tiko einen wichtigen Beitrag zur Aufrechterhaltung der Netzstabilität. Ein Jahr nach dem Start des Pilotprojekts zieht Abi Chacko eine positive Bilanz. «Wir wollten zeigen, dass Netzstabilisierung in der Schweiz mit V2X-Elektroautos technisch machbar ist. Das ist uns gelungen.»
Drei Erfolgsfaktoren
Laut Stefan Dörig müssen drei Bedingungen erfüllt sein, damit sich V2X in der Elektromobilität langfristig durchsetzt: «Zunächst muss der Zugang zur Elektromobilität noch einfacher werden.» Dazu müsse insbesondere die (Lade-) Infrastruktur weiter ausgebaut werden. Als zweiten Punkt erwähnt er die Kosten: «Je mehr V2X-Fahrzeuge und Standorte zur Verfügung stehen, desto attraktiver die Technologie.» Als Beispiel hierfür nennt Stefan Dörig die Entwicklung der Fotovoltaik, die so günstig ist wie nie zuvor. «Der dritte Punkt betrifft die Regulierung des Strommarktes.» Dieser sei heute noch (zu) stark auf klassische Modelle ausgerichtet. Einerseits auf grosse Kraftwerke, die Strom produzieren, andererseits auf Haushalte, die ihn beziehen. Genau dies verändert sich zunehmend. «Dank Projekten wie «V2X Suisse» werden die Verbraucher je länger je mehr selber zu aktiven Teilnehmern am Strommarkt.» Dieser Entwicklung müsse die Politik Rechnung tragen.
Schlussspurt über die Wintermonate
Trotz Herausforderungen besteht für Dörig kein Zweifel: «Gemeinsam mit Mobility und den weiteren Projektpartnern aus der Wirtschaft konnten wir in den vergangenen zwölf Monaten beweisen, dass Elektrofahrzeuge schon heute als effiziente Energiespeicher genutzt werden können.» Um noch weitere Erfahrungen sammeln zu können, wird das Projekt um sechs Monate verlängert und im kommenden Winter weitergeführt. V2X sei eine überzeugende Technologie und ein grosses Versprechen für die Zukunft, so Dörig. Er betont: «Unsere Vision ist, dass jede Besitzerin und jeder Besitzer eines Elektrofahrzeugs am Strommarkt Geld verdienen und gleichzeitig einen Beitrag zur Energiewende leisten kann – und das ohne Komfortverlust.»
Dieser Beitrag entstand bei Projekthalbzeit im Herbst 2023.
Was ist «V2X-Suisse»?
Das zeitlich begrenzte Forschungsprojekt lief operativ von Herbst 2022 bis Frühling 2024. Dabei wurden 50 bidirektionale Honda-e-Autos in den regulären Carsharing-Betrieb von Mobility integriert. Es war der erste grossflächige Test mit bidirektional ladenden E-Autos in der Schweiz. Er sollte zeigen, wie sich dank dieser Technologie Lastspitzen im Stromnetz brechen lassen und wie Standorte mit Solaranlagen ihren Eigenverbrauch optimieren können. Zudem wollte man das betriebswirtschaftliche Potenzial von bidirektionalen Fahrzeugen in der Schweiz untersuchen und den Wettbewerb zwischen den potenziellen Flexibilitätsabnehmern auf drei Netzebenen (Swissgrid, Verteilnetzbetreiber und Zusammenschluss zum Eigenverbrauch) testen.
Der Schlussbericht wird im Sommer 2024 auf ARAMIS (der Forschungsdatenbank der Bundesverwaltung) publiziert. ARAMIS - Die Forschungsdatenbank der Bundesverwaltung - Startseite (admin.ch)
Fazit: Das Projekt hat die technische Machbarkeit bewiesen und der bidirektionalen Technik Schwung verliehen. Es zeigte auf, dass neben dem bewährten V2H (Vehicle-to-Home) auch V2G (Vehicle-to-Grid) technisch funktioniert, sowohl netz- als auch systemdienlich. Ein wirtschaftlicher Betrieb für ein Carsharing-Unternehmen rechnet sich aktuell aber noch nicht.
Nebst Mobility waren folgende Unternehmen bei dem Projekt dabei: Automobilhersteller Honda, Software-Entwickler sun2wheel, Ladestationen-Entwickler EVTEC, Aggregatoren tiko, wissenschaftliche Begleitung durch novatlantis, in Zusammenarbeit mit der ETH. Das Projekt wird durch das Pilot- und Demonstrationsprogramm des Bundesamts für Energie BFE unterstützt.
Bilder Copyright: Patrick Besch
Bemerkungen
Danke für den wertvollen Hinweis, der Fauxpas wurde mittlerweile korrigiert.
Wir fahren seit 1 1/2 Jahren mit einem Honda e herum und haben eine Photovoltaikanlage mit grösserem Speicher.
Wie müssten wir vorgehen?
Herzliche Grüsse
Peter und Susanne Ernst
Es freut uns sehr, zu lesen, dass ihr schon so lange elektrisch unterwegs seid und einen weiteren Schritt machen wollt.
Die Antwort auf eure Frage lautet Jein. Wir können euch leider nicht in unser Projekt integrieren, da aktuell noch die Testphase läuft. Aber es besteht die Möglichkeit, dass ihr ein eigenes Projekt lanciert, indem ihr euch das entsprechende Produkt (zertifizierte Technologie) anschafft. Hier geht es zum Anbieter: https://sun2wheel.com. Wir hoffen, diese Antwort hilft euch weiter!
Vielen Dank für deine Nachricht. Ich probiere, deine Fragen so gut es geht zu beantworten:
Japanische Automarken bieten seit 2014 serienmässig eine bidirektionale Ladetechnologie an, ohne Einschränkungen, mit voller Garantie und ohne Aufpreis. Europäische Hersteller wollten die japanische DC-Verbindung CHAdeMO durch CCS (Combo2) ersetzen, die Software-Sprache, welche die Regulierung ermöglicht, ist aber nach wie vor nicht parat für bidirektionales Laden.
Bidirektionale DC-Ladestationen beinhalten eine Leistungselektronik und eine galvanische Trennung, was höhere Kosten verursacht als AC-Wallboxen. Jedoch konnte der Preis dieser 10kW-DC-Ladestationen bereits von über 20'000 Franken auf etwa 13'000 Franken reduziert werden. Und der Preis wird sich mit steigenden Stückzahlen weiter reduzieren. Eine (nicht wirklich wünschenswerte) Produktionsverlagerung nach Asien wird ebenfalls dabei helfen, die Preise zu reduzieren (heute werden die von Mobility eingesetzten bidirektionalen Ladestationen in der Schweiz entwickelt und auch in der Schweiz produziert). Wegen dieser Preislage haben aber glücklicherweise immer mehr Kantone (wie ZH, BE oder TI) Subventionen für bidirektionale DC-Ladestationen eingeführt – was auch für die investierten Fördergelder sinnvoll ist, weil pro Franken eine viel grössere Batterie (gegenüber stationären Speichern) eingebunden werden kann.
Danke für deine Nachricht. Eigentlich logisch, wer keine Emissionen verursacht, sollte belohnt werden - und nicht die anderen. Aber das scheint mir kaum realistisch zu sein, zudem sind uns bei Mobility in dieser Hinsicht die Hände gebunden. Wir von Mobility setzen uns für eine sinnvolle und möglichst nachhaltige Mobilität ein.