Nachhaltig leben
Problem Plastik
07.09.2020
Willkommen im Plastikzeitalter! Ein Leben ohne Kunststoffe – das könnten wir uns nicht vorstellen. Schliesslich leisten sie uns in Form von Verpackungen, Möbelstücken, Spielzeug, Kleidung, Medizinalprodukten und vielem anderem wertvolle Dienste. Nur: Plastik kommt mit einem hohen Preis. Wir erklären dir, warum.
Die massenhafte Verbreitung von Plastik begann ab 1950. In jenem Jahr wurden weltweit rund zwei Millionen Tonnen Plastik produziert. Dass Verpackungen und Flaschen nach der Nutzung im Mülleimer landen konnten, statt wiederverwendet zu werden, half der Industrie, Lieferketten zu vereinfachen und Geld zu sparen. Nur begann damit ebenfalls unsere heutige Wegwerfmentalität.
Inzwischen sind es aber 400 Millionen Tonnen pro Jahr, so der Plastikatlas der Heinrich-Böll-Stiftung von 2019. Insgesamt befinden sich derzeit über 8,3 Milliarden Tonnen Plastik auf dem Planeten, rechnet das Online-Magazin klimareporter.de aus. Das entspricht mehr als einer Tonne pro Mensch. Und unser derzeitiges Konsumverhalten lässt die Prognosen, vor allem für Einweg-Plastik, drastisch ansteigen.
Plastik beschleunigt die Klimaerwärmung
Plastik besteht aus fossilen Rohstoffen, die gewonnen, raffiniert, verarbeitet und transportiert werden müssen. All das ist sehr energieintensiv und setzt haufenweise Treibhausgase wie Kohlendioxid und Methan frei. Auch bei der Verbrennung entsteht viel davon. Und auch Plastik, das im Meer landet, wirkt klimaschädlich: Denn normalerweise bindet Plankton an der Meeresoberfläche Kohlendioxid und sondert es in der Tiefsee wieder ab. Ozeanen kommt so eine wichtige Rolle zu, zu einem stabilen Klima auf der Erde beizutragen. Doch gemäss Plastikatlas kann das zu Mikroteilchen zerfallene Plastik im Meer diesen natürlichen Prozess stören.
Plastikteppiche dreimal so gross wie Frankreich
Die Heinrich-Boell-Stiftung fasst zusammen, dass bis 2018 rund 86 Millionen Tonnen Plastikmüll in die Ozeane gelangt sind. Jedes Jahr kommen gemäss Greenpeace bis zu 13 Millionen Tonnen Plastik dazu, also eine Lkw-Ladung jede Minute. Das Plastik im Meer und an den Stränden verletzt und tötet Meerestiere und Vögel, auch, weil es mit Nahrung verwechselt wird.
Zudem wird das Plastik im Meer nicht abgebaut, sondern nur zerkleinert – zu Mikroplastik. Dieser «Zerfall» dauert sehr lange, wie Zahlen des Deutschen Umweltbundesamts zeigen:
Plastiksack: 20 Jahre
Styroporbecher: 50 Jahre
Wegwerfwindel: 460 Jahre
Angelschnur: 600 Jahre
Plastikflasche: 600 Jahre
Mikroplastik verteilt sich überallhin und sammelt sich insbesondere in fünf riesigen Müllstrudeln in den Ozeanen. Der grösste von ihnen ist inzwischen dreimal so gross wie Frankreich.
Plastik lagert sich in Böden ab und gelangt in Nahrungsmittel
Aber auch die Böden sind stark durch Kunststoffpartikel verschmutzt: Durch Littering, durch in der Land- und Bauwirtschaft benutzte Materialien und auch durch Mikroplastik, das zum Beispiel durch Reifenabrieb im Verkehr entsteht und vom Wind übers Land getragen wird. Einmal dort angekommen, reichert sich Mikroplastik im Boden an, verbleibt dort mehrere Jahrhunderte und verändert dessen Struktur. Das wirkt sich negativ auf die Mikroorganismen und Regenwürmer aus, die für die Bodenfruchtbarkeit wichtig sind. Zudem zieht Mikroplastik dort andere Schadstoffe wie ein Magnet an und gelangt gemeinsam mit ihnen in die Nahrungskette. Es kann von Menschen und Tieren aufgenommen werden und wurde gemäss BAFU bereits in Lebensmitteln wie Fisch, Muscheln, Zucker und Honig nachgewiesen – sowie im menschlichen Körper selbst.
«Nicht einmal 10% des je auf dieser Welt produzierten Plastiks sind bisher recycelt worden.»Plastikatlas der Heinrich Böll-Stiftung, 2019
Plastik schlägt auf die Gesundheit
Kunststoffe sind ein Gesundheitsrisiko, nicht nur jene in unserer Nahrungskette. Sie enthalten jede Menge zugesetzte Chemikalien wie Weichmacher, Farbstoffe oder Flammschutzmittel. Viele Zusatzstoffe können mit der Zeit aus dem Material austreten, sich in Raumluft und Hausstaub anreichern und über die Atmung oder die Haut in den Körper gelangen. Die ausgetretenen Stoffe, insbesondere die Weichmacher, können gemäss Plastikatlas zahlreiche Erkrankungen auslösen – von ADHS über Immun- und Nervenerkrankungen bis zu Diabetes und Unfruchtbarkeit.
Plastik kann nicht umweltfreundlich entsorgt werden
Gemäss Plastikatlas sind etwa 40% unserer Kunststoffprodukte nach weniger als einem Monat wieder Abfall. Doch leider kann Plastik nicht wirklich umweltfreundlich entsorgt werden. Recycling wäre zwar wünschenswert, stösst aber sehr schnell an Grenzen des technisch Möglichen, unter anderem wegen der vielen chemischen Zusätze. Deshalb wird ein Grossteil verbrannt, wobei nicht nur viel CO2 entsteht, sondern auch zahlreiche Schadstoffe, die von der Umwelt kaum abgebaut werden und beim Menschen weitere Krankheiten auslösen können.
Wir bleiben auf unserem Plastikmüll sitzen
Weil zu viel Müll anfällt, ist weltweit ein regelrechter Export von Plastikabfällen entstanden. Seit 1988 wurde rund die Hälfte des globalen Plastikmülls nach China exportiert, wo er geschmolzen und zu Pellets verarbeitet wurde, um wiederverwendet zu werden. Seit 2018 gehen die globalen Müllströme grösstenteils nach Thailand, Vietnam, Malaysia und Indonesien. Doch da die Auflagen für den Import generell strenger werden, sitzen die Exportländer – vornehmlich die Industriestaaten – mehr und mehr auf ihrem Abfall. Mit der Folge, dass dieser meist kurzerhand verbrannt oder auf Deponien entsorgt wird, statt recycelt zu werden.
«Das Problem der Entsorgung verschärft sich, da jedes Jahr mehr Plastik produziert wird: Im Jahr 2025 bereits mit über 600 Millionen Tonnen pro Jahr.»Plastikatlas der Heinrich Böll-Stiftung, 2019
Lösung Bio-Kunststoff?
Nun, wie weiter? Bereits heute gibt es «bioabbaubare» Kunststoffe aus verschiedenen, auch pflanzlichen Materialien. Der Abbau funktioniert allerdings nur unter den genau richtigen Bedingungen (Temperatur, Mikroorganismen usw.) und benötigt industrielle Vergärungs- oder Kompostierungsanlagen. Da sich daraus weder Nährstoffe noch Humus gewinnen lassen, werden solche Kunststoffe meist doch verbrannt, um «wenigstens» Wärmeenergie daraus zu gewinnen. Nebst bioabbaubaren gibt es auch «biobasierte» Kunststoffe: Sie bestehen aus natürlichen, nachwachsenden Stoffen wie Zuckerrohr, Mais oder Palmblättern. Doch auch hier ist die Umweltfreundlichkeit unklar, denn die Rohstoffe werden in grossindustriellen Prozessen zu chemischen Grundstoffen verarbeitet und ihre Zersetzung dauert extrem lange.
Was kannst du also tun? Am sinnvollsten ist es, Plastikprodukte, so weit es geht, durch Alternativen zu ersetzen. Einige Anregungen dazu findest du in diesem Artikel. Und es bleibt zu hoffen, dass Wissenschaft und Industrie neue, intelligente, zukunftsträchtige Wege und Materialien finden.
Quellen:
Bafu
Deutsches Umweltbundesamt, Infografik «So lange bleibt der Müll im Meer», 2016
Plastikatlas der Heinrich Böll-Stiftung von 2019