Carsharing im Alter: «Persönliche Erfolgserlebnisse sind der Schlüssel»

Das eigene Auto ist für viele ältere Menschen ein Symbol der Freiheit. Mit der richtigen Unterstützung könnten Shared-Mobility-Angebote eine attraktive Alternative sein, erklärt Rudolf Baumann-Hauser.

Text   Ismail Osman

26.09.2024

  • Lifestyle

Rudolf Baumann-Hauser, warum halten viele Menschen auch im hohen Alter an ihrem eigenen Auto fest?

Das Mobilitätsverhalten im Ruhestand ist oft von den Gewohnheiten aus dem Berufsleben geprägt. Wer lange Zeit mit dem Auto unterwegs war hat oft Schwierigkeiten, auf andere Verkehrsmittel umzusteigen. Es gibt weitere Gründe, warum ältere Menschen nicht auf ihr Auto verzichten möchten. Ein wichtiger Faktor ist die Gesundheit. Wer körperlich eingeschränkt ist, fühlt sich ohne Auto oft nicht mehr mobil. Im ländlichen Raum sind Alternativen wie der öffentliche Verkehr oft nicht so gut ausgebaut, was den Umstieg zusätzlich erschwert. Für manche beginnt mit dem Ruhestand aber auch eine Art «Genussphase», in der sie sich bewusst etwas gönnen.

Und das bedeutet?

Viele entscheiden sich zum Beispiel für ein sportlicheres Auto oder kaufen sich ein Wohnmobil, um Reisen zu geniessen, die sie im Berufsalltag nicht machen konnten.

Freiheit wird somit immer noch oft mit dem Besitz eines eigenen Fahrzeugs assoziiert.

Genau. Viele verbinden mit dem Auto die Freiheit, spontan und unabhängig zu sein, ohne auf Fahrpläne oder Mietfahrzeuge angewiesen zu sein. Doch bei Menschen im Ruhestand stellt sich die Frage, wie relevant dieser Zeitgewinn wirklich ist, da sie keine beruflichen Verpflichtungen mehr haben.

Engagiert für Energie, Bau, Umwelt und Mobilität

Rudolf Baumann-Hauser (75) ist diplomierter Bauingenieur mit über 50 Jahren Berufserfahrung. Als früherer Leiter des Fachbereichs Energie des Kantons Luzern, selbstständiger Berater und Coach hat er sich auf die Bereiche Energie, Bau, Umwelt und Mobilität spezialisiert und  Heute berät er ehrenamtlich Organisationen, Firmen und Interessierte zu diesen Themen.

Rudolf Baumann Hauser vor dem KKL Luzern.

Drehen wir die Frage um: Was sind denn die Hauptgründe, warum ältere Menschen auf ein eigenes Auto verzichten?

In Städten können der gut ausgebaute öffentliche Verkehr und die wachsende Verfügbarkeit von Shared-Mobility-Angeboten ältere Menschen zum Umstieg bewegen. Für andere spielt die ökonomische Komponente eine grössere Rolle: Wenn man die Kosten für Garage, Versicherung, Wartung und Betrieb zusammenrechnet, wird eigentlich schnell klar, dass ein eigenes Auto oft purer Luxus ist. Leider ist dies vielen nicht bewusst.

Mobility hat die Kosten aufgelistet: Ein eigenes Auto kostet im Schnitt 10'000 Franken pro Jahr.

Ist Carsharing eine echte Alternative für ältere Menschen?

Das kommt stark auf die persönliche Einstellung an. Wer der Philosophie «Nutzen statt Besitzen» folgt, ist prinzipiell offen für Shared Mobility – unabhängig vom Alter.

Welche spezifischen Herausforderungen sehen Sie im Bereich Shared Mobility für ältere Menschen?

Für viele ist sicherlich die Standortfrage zentral. Wie weit ist das nächste Carsharing-Angebot von zu Hause entfernt? Aber auch die digitale Fitness spielt eine Rolle: Viele dieser Angebote sind app-basiert. Gerade für ältere Menschen kann das eine Hürde sein.

« Eine zentrale Herausforderung ist die Ladeinfrastruktur, vor allem in Tiefgaragen von Mehrfamilienhäusern »
Baumann-Hauser über die Elektromobilität.

Wie könnte man diesen Umstieg für ältere Menschen erleichtern?

Persönliche Erfolgserlebnisse sind der Schlüssel. Eine Möglichkeit wäre es, Menschen bei ihren ersten Erfahrungen mit Shared Mobility zu begleiten.

Wie stellen Sie sich das vor?

Vertrauenspersonen könnten ältere Menschen beim ersten Ausprobieren von Shared-Mobility-Angeboten unterstützen. Sie könnten Fragen beantworten, bei der Nutzung der Apps helfen und gemeinsam die Angebote testen. Positive erste Erfahrungen sind ein unheimlich starkes Mittel, um Hemmschwellen abzubauen. Dieses Heranführen an Shared Mobility muss jedoch nicht allein in der Verantwortung der Anbieter liegen.

Wie meinen Sie das?

Auch die Politik und die öffentlichen Verwaltungen sind gefordert. Wenn wir autofreie Innenstädte wollen und das Ziel haben, dass auch ältere Menschen auf alternative Mobilitätsformen umsteigen, bedarf es entsprechender Sensibilisierung und Schulung. Das könnte in Zusammenarbeit mit Seniorenverbänden und anderen relevanten Institutionen geschehen – idealerweise in Kooperation mit den Anbietern von Shared-Mobility-Diensten.

Lassen Sie uns noch über die Elektromobilität sprechen. Wo sehen Sie die grössten Herausforderungen und wie wird sich die Situation entwickeln?

Eine zentrale Herausforderung ist die Ladeinfrastruktur, vor allem in Tiefgaragen von Mehrfamilienhäusern. Hier gibt es noch viel Verbesserungsbedarf, doch in den nächsten fünf bis zehn Jahren wird sich einiges tun. Zudem sind Elektroautos noch teuer, aber günstigere Modelle – besonders aus China – werden das ändern und auch der Occasionsmarkt für Elektrofahrzeuge wird sich weiterentwickeln.

Der langjährige Mobility-Kunde ist mit Elektroautos vertraut.

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