Wasserstofftankstelle

Wasserstoffauto – Traumkandidat oder Nischenplayer der Zukunftsmobilität?

Das Wasserstoffauto entwickelt sich gegenüber dem E-Auto deutlich langsamer. Warum das so ist, beleuchtet Mobility NEO in mehreren Artikeln. Heute stellen wir das klassische Huhn-Ei-Problem in den Mittelpunkt: Verhindern fehlende Tankstellen die massenhafte Verbreitung von H2-Autos oder umgekehrt?

19.08.2021

  • Zukunft

Während Elektroautos vor dem grossen Durchbruch stehen, fristen Wasserstoffautos ein Schattendasein. In der Schweiz kurvten Anfang des Jahres weniger als hundert H2-Autos über die Strassen, darunter 27 Toyota Mirai und 58 Hyundai Nexos. Auf der Ost-West-Verkehrsachse gibt es heute lediglich neun Wasserstoff-Tankstellen. Doch beginnen wir bei den Basics:

Das Wasserstoffauto einfach erklärt

Wasserstoffautos werden oft auch als «Brennstoffzellenautos» bezeichnet: In millimeterdünnen Zellen entsteht Strom, wenn Wasserstoff (gasförmig in 700-bar-Drucktanks mitgeführt) auf Sauerstoff trifft. Der gewonnene Strom treibt wie beim Elektro-Auto einen E-Motor an. Ein grosser Akku ist überflüssig und als einziges Abgas entsteht Wasserdampf.

Wie wird Wasserstoff eigentlich produziert?

Wasserstoff wird mittels Wasser-Elektrolyse hergestellt. Dabei wird Wasser unter Einsatz von Elektrizität in seine Bestandteile Sauerstoff und Wasserstoff aufgespaltet. Betrachtet man die Umweltfreundlichkeit von H2-Autos, so ist die Frage entscheidend, wie der zur Elektrolyse benötigte Strom produziert wurde – mittels fossiler oder erneuerbarer Energie? Erst «grüner Wasserstoff» treibt Brennstoffzellenfahrzeuge CO2-frei und somit nachhaltig an.

Die hohe Energiedichte ist der Hauptvorteil von H2

Wo liegen überhaupt die Vorteile von Wasserstoff?

Wasserstoff überzeugt mit hoher Energiedichte: Im Vergleich mit Batterien kann in H2 bei gleichem Gewicht mehr Energie gespeichert werden. Deshalb ist Wasserstoff als transportabler Speicher für grosse Energiemengen bestens geeignet, beispielsweise im Fernverkehr für  Lastwagen oder Schiffe. Das Tanken ist in wenigen Minuten erledigt – eine Spur länger als bei Benzin oder Diesel, aber deutlich schneller als beim E-Auto. Und der Preis an der Zapfsäule ist nicht höher als bei konventionellen Treibstoffen.

Verbreitungs-Hemmnisse – teure Fahrzeuge, teure Tankstellen

Nun wirst du dir denken: Einen Haken muss die Sache doch haben. Und natürlich hast du recht! Schauen wir uns die Preise an. Ein H2-Auto kostet derzeit 60'000 bis 90'000 Franken, während ein E-Auto gemäss TCS-Ratgeber ab 19'000 Franken zu haben ist und auf dem Schweizer Markt insgesamt zehn Fahrzeuge unter 35'000 Franken erhältlich sind. Hohe Summen sind bei den Tankstellen im Spiel: Für den Bau einer H2-Tankstelle werden1 bis 1.5 Mio Franken veranschlagt.

Derzeit ist eine H2-Tankstelle noch ein Millionenprojekt

Kostenintensiv sind dabei die Hochdrucktanks für die H2-Lagerung bei bis zu 1'000 bar und die speziellen Kompressoren, welche diesen enormen Druck erzeugen. 1'000 bar entsprechen dem Druck in einer Meerestiefe von 10'000 Metern oder 500 Mal dem Druck in Autoreifen. Relativ teuer sind auch die Pumpen und die Vorkühleinheit, welche dafür sorgt, dass sich der Wasserstoff nicht übermässig erwärmt und das Betanken des Autos innert Minuten möglich ist. Demgegenüber liegt der Preis für den Bau einer öffentlichen AC-Stromtankstelle im vierstelligen bis tieferen fünfstelligen Bereich – eine ganz andere Welt also. Die DC-Schnellladestationen sind im sechsstelligen Bereich angesiedelt.

Was H2-Autos ausserdem ausbremst

Doch nicht nur das liebe Geld steht H2-Autos im Weg, sondern auch andere Faktoren. Beispielsweise die Nachhaltigkeit: Betrachtet man die gesamte Wirkungskette «well to wheel» – von der Gewinnung und Bereitstellung der Antriebsenergie bis hin zur Umwandlung in kinetische Energie – schneiden Wasserstofffahrzeuge gegenüber E-Autos deutlich schlechter ab. Dies, weil die H2-Erzeugung mit Strom und die erneute Umwandlung in Strom doppelt am Wirkungsgrad nagt. Ein zweiter Bremsfaktor für die Wasserstofftechnik liegt darin, dass die Autohersteller komplett auf Elektromobilität setzen, was den Innovationsfortschritt der E-Technologie massiv beschleunigen wird. Zum dritten hält sich die Angst vor Explosionen hartnäckig, obwohl Wasserstoff-Fachleute keine erhöhten Gefahren sehen. Denn: Wasserstoff ist 14 Mal leichter als Luft und somit extrem flüchtig. Gefährliche «Gas-Seen» können sich nicht bilden.

Was braucht es, um Wasserstoff attraktiver zu machen?

Die unbefriedigende Situation betreffend des geringen Tankstellennetzes will der 2018 gegründete Förderverein «H2 Mobilität Schweiz» verbessern. Hierfür bringt er Fachleute von Firmen und Forschungseinrichtungen aus allen Bereichen der Wasserstofftechnologie an einen Tisch. Mit steigenden Tankstellenzahlen werden auch die Kosten für die anspruchsvollen Komponenten wie Kompressoren, Drucktanks usw. sinken.

Erfolgsschlüssel: markante Kostensenkungen via höhere Stückzahlen

Zudem muss die Brennstoffzellen-Produktion weiter vorangetrieben und billiger werden. Reifenproduzent Michelin und Autozulieferer Faurecia sind bereits seit 15 Jahren gemeinsam tätig und werden noch im 2021 in Lyon den Bau einer Brennstoffzellenfabrik starten. Die Produktionsanlage wird zu den grössten Europas zählen. In vier Jahren sollen 20'000 Zellensysteme jährlich hergestellt werden, bis Ende des Jahrzehnts sind mehr als 200'000 Einheiten geplant. «Im Jahr 2030 werden die Herstellkosten nur noch bei einem Zehntel der heutigen liegen», lässt sich Anish Taneja, Präsident der Michelin-Region Nordeuropa, auf faz.net zitieren. In der Fachwelt ist man sich allgemein einig, dass bei sechsstelligen Stückzahlen oder mehr die Produktion eines Brennstoffzellen-Fahrzeuges zu ähnlichen Kosten möglich ist wie die eines batterieelektrischen Autos.

Verbilligung der Brennstoffzelle um 90%

Warum setzt Mobility vorerst nicht auf Wasserstoff?

Mobility stellt bis spätestens 2030 komplett auf Elektromobilität um. «Zwar ist Wasserstoff wegen seiner hohen Energiedichte interessant», weiss Mobility-Flottenchef Viktor Wyler. «Allerdings sprechen die Preise, das erwähnte geringe Tankstellennetz und die Entwicklungen im Markt zurzeit gegen einen Einsatz im Carsharing». Zudem sei die Technologie für Mobility nur interessant, wenn sie komplett erneuerbar erfolgen kann. Das sei heute noch nicht der Fall, erklärt Wyler. «Wir sind gespannt, in welche Richtung sich die Technologie entwickeln wird.» 

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