Was ist bidirektionales Laden?
Kurz: Die Batterie im Elektroauto wird als Speicher für andere Zwecke verwendet. Sie kann Strom ins Netz zurückspeisen, wenn kurzfristiger Energiebedarf vorhanden ist. E-Autos werden dadurch zu mobilen Powerbanks, die zur Netzstabilisierung der Schweiz beitragen könnten.
Worum geht es bei «V2X Suisse»?
Das Pilotprojekt lief operativ von Herbst 2022 bis Frühling 2024. Dabei wurden 50 Honda-e-Autos in den regulären Carsharing-Betrieb von Mobility integriert. Es war der erste grossflächige Test mit bidirektional ladenden E-Autos in der Schweiz. Er sollte unter anderem zeigen, wie sich dank dieser Technologie Lastspitzen im Stromnetz brechen lassen, sowie das betriebswirtschaftliche Potenzial von bidirektionalen Fahrzeugen in der Schweiz untersuchen. Für die Mobility Genossenschaft stellte das Projekt eine Chance dar, viel über Entwicklungen und Technologien der Elektromobilität und der Energiemärkte zu lernen.
Was bedeutet die Bezeichnung V2X?
Wechseln wir dafür ins Englische. V steht für Vehicle (Fahrzeug), die Ziffer 2 wird ausgesprochen zu einem to (nach) und das X bedeutet x-beliebig. Will heissen: Der Strom fliesst vom Elektrofahrzeug an einen beliebigen Ort, z.B. geht ins Stromnetz oder in deinen privaten Stromkreis (zu Hause). Aus diesen Verwendungszwecken haben sich die Bezeichnungen Vehicle-to-Grid (vom Fahrzeug ins Stromnetz) und Vehicle-to-home (vom Fahrzeug ins Haus) etabliert.
Was sind die wichtigsten Projekt-Erkenntnisse?
Es wurde nicht nur die technische Machbarkeit bewiesen, sondern der bidirektionalen Technik Schwung und Aufmerksamkeit verliehen. Es wurde erstmals gezeigt, dass es möglich ist, zahlreiche E-Autos zu einem virtuellen Speicher zusammenzunehmen und den Energiefluss in Echtzeit zu steuern - sowohl netz- als auch systemdienlich. V2X funktioniert technisch im Carsharing-Anwendungsfall. Gleichzeitig wurde klar, dass sich ein wirtschaftlicher Betrieb einer bidirektionalen E-Auto-Flotte für ein Carsharing-Unternehmen aktuell noch nicht rechnet. Mobility wird die bidirektionale Ladetechnologie vorerst nicht weiterverfolgen.
Lässt sich mit bidirektionalen Autos, die Strom ins Netz speisen, Geld verdienen?
Vor Projektstart wurde angenommen, dass ein «Stehzeug» im Schnitt ein bis zwei Franken Flexibilitäts-Umsatz pro Tag erwirtschaftet. Heute können wir sagen: Abhängig von den Marktpreisen hat sich gezeigt, dass bis zu 2000 Franken Einnahmen pro Jahr und Fahrzeug generiert werden könnten. Weil die Investitions- und Betriebskosten allerdings noch zu hoch sind, konnten die Kosten in der Testphase nicht gedeckt werden. Ein wirtschaftlicher Betrieb ist folglich (noch) nicht möglich.
Gab es Kundinnen und Kunden, die auf leere Autobatterien gestossen sind?
Die Fahrzeuge haben nur bis zu einem festgelegten Ladestand Strom ins Netz zurückgespiesen, Die Akzeptanz der Mobility-Kundschaft war hoch. Während des Pilotbetriebs wurden die Honda-e-Modelle von über 6’600 Personen genutzt und zirka 800’000 Kilometer zurückgelegt. Es gab praktisch keine Reklamationen, welche auf die V2X-Technologie zurückzuführen waren.
Welche Rückschlüsse lässt der Betrieb bei Mobility auf den Alltagsfall zu?
Wenn V2G (Vehicle-to-Grid) im anspruchsvollen Carsharing-Betrieb funktioniert, dann kann V2G für jedes E-Fahrzeug angewendet werden.
Wie schaut die nahe Zukunft aus?
Das Stromgesetz, welches am 9. Juni 2024 vom Schweizer Volk angenommen wurde, verbessert die Rahmenbedingungen für einen wirtschaftlichen Betrieb. Es ermöglicht etwa die Rückerstattung der doppelten Netzgebühren und die Schaffung eines Flexibilitätsmarktes bei den lokalen Verteilnetzbetreibern. Jedoch wird es noch einige Jahre benötigen, bis sich auch andere Voraussetzungen verbessert haben und sich die Technologie auf breiter Ebene durchsetzen kann.
Welche Hürden müssen überwunden werden, um die Technik zu verankern?
- Die Kosten für bidirektionale Ladestationen müssen sinken.
- Die Auswahl an bidirektionalen E-Autos ist klein, da sich der Markt weniger schnell entwickelt hat als erhofft. Die Autohersteller sind gefordert, mehr und günstigere dieser Fahrzeuge auf den Markt zu bringen.
- Verteilnetzbetreiber müssen attraktivere Bedingungen schaffen für die Rückspeisung von Strom ins Netz.
- Einführung einer interoperablen Norm, damit ein Flottenbetrieb mit verschiedenen Automarken und Ladestationen möglich ist. Dies wird bis 2027 erwartet.
Es gibt nach wie vor kaum Autos, die bidirektional laden können. Wird sich das in naher Zukunft ändern?
Ja, denn die Fahrzeughersteller werden vermutlich bis 2027 eine weltweite, interoperable Norm einführen. Dann könnten verschiedene Automarken an einer einzigen standardisierten Ladestation geladen und entladen werden.
Welchen Nutzen hat «V2X Suisse» für Mobility?
Aus Sicht von Mobility war V2X ein voller Erfolg, da wir spannende Antworten auf noch offene Fragen erhalten haben. Darüber hinaus konnten wir die bidirektionale Ladetechnik in der Öffentlichkeit bekannt machen, was hilft, bessere Rahmenbedingungen zu schaffen. Zudem liegen viele Daten vor, die uns künftig einen Mehrwert bieten. Die Erkenntnisse aus dem Projekt werden genutzt, um die Elektroflotte intelligenter zu laden. Dies ist nicht nur finanziell interessant, sondern schont auch die Autobatterien. Gleichzeitig treiben wir den Wechsel auf Elektroautos voran. Bereits rund 600 der 3000 Mobility-Fahrzeuge sind rein elektrisch unterwegs.
ÜBER V2X
Hinter «V2X Suisse» stehen sieben Unternehmen, wobei der Projektlead bei Mobility liegt. Zudem dabei: Automobilhersteller (Honda), Software-Entwickler (sun2wheel), Ladestationen-Entwickler (EVTEC), Aggregatoren (tiko), wissenschaftliche Begleitung (novatlantis, in Zusammenarbeit mit der ETH Zürich). Das Projekt wird durch das Pilot- und Demonstrationsprogramm des Bundesamts für Energie BFE unterstützt. Der Schlussbericht ist ab Spätsommer auf der ARAMIS-Datenbank des Bundes öffentlich einsehbar: aramis.admin.ch
Mehr Infos auf: www.mobility.ch/v2x
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