Laurent Roux, Sie haben im Herbst während eines Monats auf Ihr persönliches Auto verzichtet. Wie ist es dazu gekommen, dass Sie und Ihre Familie bei der Challenge von Luzernmobil mitgemacht haben?
Laurent Roux: Ich habe auf Instagram gesehen, dass der Verkehrsverbund zusammen mit der Dachmarke Luzernmobil eine Challenge organisiert. So habe ich angefragt, ob meine Familie und ich mitmachen können.
Welche Fortbewegungsmittel haben Sie während den 31 Tagen genutzt?
Unsere Hauptverkehrsmittel waren die Velos. Daneben nutzten wir hauptsächlich den ÖV, das machen wir ohnehin schon rege. Zusätzlich standen uns ein Lastenvelo bzw. Cargo-Velo und ein E-Bike zur Verfügung - das war grossartig! Dank eines Anhängers konnten wir fast alles problemlos transportieren. Mit den Kindersitzen ist es relativ umständlich, so haben wir Mobility während der Challenge weniger genutzt.
Ist Carsharing für Sie ein Thema, obwohl Sie ein eigenes Auto haben?
Ja, auf jeden Fall! Wir verfügen über ein Auto, das wir mit zwei Nachbarn teilen, die kein Auto haben. Eine unkomplizierte Anfrage via WhatsApp reicht, um es zu reservieren. Wenn sie eine grössere Distanz zurücklegen, wird getankt.
Das ist vorbildlich.
Klar sind wir manchmal froh um das Auto, etwa für ins Schwimmtraining oder in die Skiferien. Wenn es die übrige Zeit aber rumsteht, ist das eine Verschwendung der Ressourcen.
Hatten Sie vor der Challenge einen Bezug zu Mobility?
Ich war während einer langen Zeit Mobility-Kunde. Bis zur Geburt des dritten Kindes hatten wir kein eigenes Auto und haben stattdessen Mobility genutzt. Danach haben wir ein Familienauto gekauft, mit praktischer Schiebetüre - der Klassiker für Familien (lacht).
Wie sieht Ihr Arbeitsweg aus?
Ich wohne in der Stadt Luzern. Die Bus-Linie 7 hält quasi vor meiner Haustüre und fährt mich bis vors Büro. Obwohl ich gerne das Velo nehmen würde, fahre ich fast ausschliesslich mit dem Bus. Mein Arbeitsweg ist ein wichtiger Berührungspunkt zu meinen Mitarbeitenden. So habe ich mindestens zweimal pro Tag die Möglichkeit, hallo zu sagen, mich zu bedanken und einen schönen Tag zu wünschen.
Ist die Linie 7 unter den Mitarbeitenden beliebt?
Diese Person hat den Zonk gezogen, weil die Chancen gross sind, dass ich einsteige (lacht). Das ist ein Scherz. Ich gehe nicht davon aus, dass es als Strafaufgabe wahrgenommen wird.
Bern, Luzern, demnächst Winterthur: Was haben diese Challenges für eine Bedeutung für die Städte?
Die Aktion ist grossartig. Sie zeigt, dass alle ihr Mobilitätsverhalten jederzeit hinterfragen können. Das bedeutet nicht, dass man sich von heute auf morgen radikal verändern muss, aber man kann etwas ausprobieren. Zudem ist es wichtig, mit solchen Aktionen auf die Herausforderungen im städtischen Verkehr aufmerksam zu machen. Steht der Bus im gleichen Stau wie die Autos, animiert das nicht zum Umsteigen auf den ÖV.
Das grösste Problem sind die privaten Autos?
Absolut. Ein PW braucht enorm viel Platz, im Schnitt transportiert er aber nur 1,5 Personen. Ein Auto ist nicht nur ineffizient, sondern auch ein egoistisches Transportmittel.
Sehen Sie eine andere Möglichkeit, als den Individualverkehr regulatorisch einzuschränken?
Wir haben die Wahl. Müssen Tag für Tag so viele im eigenen Auto unterwegs sein? Dann kollabiert das System, wie wir es bereits erleben. Oder bekräftigen wir unser Bekenntnis zu einem attraktiven ÖV und setzen alles daran, damit wir uns auf ihn verlassen können? Letzteres ist nachhaltiger, fairer und macht unsere Städte lebenswerter - und das ist im Interesse von allen.
Hand aufs Herz: Ist in den nächsten zehn Jahren eine Besserung in Sicht?
Ist es lebenswert, morgens und abends im Stau zu stehen oder wollen wir etwas dagegen tun? Schon heute werden verschiedene Lösungsansätze diskutiert und zum Teil bereits umgesetzt: Mobility, Roadpricing, City Tolls, Durchfahr-Slots, autofreie Gebiete, Zubringerdienste, zeitliche Fahrverbote, kein Transit-Verkehr mehr durch die Stadt etc. Es gibt schweiz-, europa- und weltweit gute Beispiele und Initiativen, die zeigen, wie sehr die Attraktivität innerhalb eines Gebietes zunimmt, wo weniger bis keine Autos Zutritt haben.
Innerhalb einer Stadt stehen diverse Fortbewegungsmittel zur Verfügung: Carsharing, Cargo-Bike, Velo, E-Scooter, E-Roller etc. Die Auswahl erfolgt je nach Distanz, Mitfahrer:innen, Wetter, Gepäck oder Budget, gebucht und bezahlt wird mit einer einzigen App. Was halten Sie von diesem Zukunftsszenario?
Solche Entwicklung verfolgen wir genau. Solange ich fünf verschiedene Accounts benötige, um mich fortzubewegen, ist das unattraktiv. Ich will eine App, die mir das schnellste und günstigste Transportmittel vorschlägt und meine Reise mittels hinterlegtem Zahlungsmittel automatisch verrechnet.
Sehen Sie eine einheitliche Buchungsplattform als Notwendigkeit an, damit es mit der geteilten Mobilität vorwärtsgeht?
Davon bin ich überzeugt. Aus der Sicht von Kundinnen und Kunden ist die Situation heute nicht optimal. Im öffentlichen Verkehr sind wir zum Glück so weit, dass man sich mit einem Swipe/Slide schweizweit fortbewegen kann.
Die ÖV-Unternehmen der Städte Zürich, Basel und Bern haben die Entwicklung einer Mobilitätsapp ausgeschrieben. Weshalb ist Luzern nicht dabei?
Der Austausch mit anderen Städten ist eng, insbesondere solche Projekte schauen wir uns genaustens an. Wo wir können und es Sinn macht, schliessen wir uns an. Oft ist es eine Frage der Ressourcen und der finanziellen Mittel.
Sehen Sie einen Nachteil darin, bei der Entwicklung der Mobilitätsapp nicht mit von der Partie zu sein?
Wir tauschen uns laufend und transparent aus, sei es innerhalb des Verbandes öffentlicher Verkehr oder in anderen Kommissionen. Aus meiner Sicht ist es nicht zwingend, dass zehn Vertreter:innen mitwirken, das ist unter Umständen lähmend. Im Idealfall wirken zwei oder drei Parteien mit und wenn es eine gute Sache ist, springen die anderen auf.
Bis 2030 stellt Mobility die Flotte auf elektrische Antriebe um und ist damit eine aktive Mitgestalterin einer modernen, nachhaltigen Mobilität: Wie beurteilen Sie die Rolle von Mobility?
Mobility hat eine grosse Vorbildfunktion. Mobility ist für die Menschen sichtbar und verfügt schweizweit über eine riesige Flotte. Das sind zwei wichtige Hebel auf dem Weg zu diesem Ziel. Ich begrüsse die Umstellung auf Elektromobilität.
Ab wann plant die VBL konsequent elektrisch unterwegs sein?
Wir werden vom Kanton Luzern finanziert. Dieser verfolgt die Roadmap 2040. Die letzten Dieselfahrzeuge dürften in der Grössenordnung um 2033 abgeschrieben sein. Wenn es läuft wie bisher, wird die VBL also näher dran an 2030 als an 2040 fossilfrei unterwegs sein. Allerdings gilt es die Situation laufend neu zu beurteilen.
Wie beurteilen Sie die Rolle des geplanten Durchgangsbahnhofs? Darf man ihn als den Startschuss betrachten, die geteilte Mobilität in und um Luzern konsequent neu zu denken und nachhaltig zu fördern?
Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass dieses Projekt einen positiven Effekt auf den öffentlichen Verkehr haben wird. Es wird auf gewissen Linien eine Verbesserung des Angebots zur Folge haben. Ein Stundentakt nach Bern oder ein Halbstundentakt nach Zürich sind nicht mehr zeitgemäss. Wird die Attraktivität gesteigert, kann dies die Menschen dazu bewegen, vom Auto auf den ÖV umzusteigen.
Wie stellen Sie sich den neuen Durchgangsbahnhof vor? Was verkehrt dort abgesehen von Zügen?
Am Ende ist es ein grosser Hub. Ein Hub, wo man ohne Auto hingelangt und von einfachen und effizienten Umstiegsmöglichkeiten profitiert. Etwa vom ÖV aufs Velo oder vom Carsharing auf den Zug.
Was ist mit den KKL-Besuchern, die oft das Parkhaus unterhalb des Bahnhofs nutzen?
Der ÖV soll so attraktiv sein, dass die allermeisten KKL-Besucher:innen ihn nutzen - ohne zu überlegen. Die Anfahrt muss zuverlässig sein, damit die Besucher pünktlich zu Konzertbeginn da sind, ohne eine Stunde Reserve einplanen zu müssen. Zudem muss eine stressfreie Rückreise gewährleistet sein, auch wenn das Konzert zehn Minuten länger dauert als geplant.
Entspricht ein zeitgemässer ÖV einem 24-Stunden-Betrieb?
Das ist eine wichtige Entwicklung und für mich eine Frage der Zeit. Natürlich ist mitten in der Nacht kein 15-Minuten-Takt zwischen Luzern und Zürich nötig. Allenfalls lässt sich der Bedarf in Zukunft mittels On-Demand-Angeboten regeln. Es gibt verschiedenste Konzepte, die uns allerhand Möglichkeiten eröffnen.
Sagen wir, Sie haben einen Wunsch frei: Wie soll die Mobilität in der Stadt Luzern in fünf Jahren aussehen?
Der ÖV soll rollen. Ich bin felsenfest davon überzeugt: Das ist der zentrale Punkt, wenn wir in der nachhaltigen Mobilität einen wesentlichen Schritt weiterkommen wollen. Wir führen unsere Kundinnen und Kunden zum Zug - und umgekehrt. Wenn wir auf den letzten Meilen nicht zuverlässig sind, dann wirkt sich das negativ auf die gesamte Reisekette aus.
Wen nehmen wir in die Pflicht, damit der Wunsch in Erfüllung geht? Die Stadt Luzern, die Politik in Bern, die Einwohner:innen Luzerns?
Wir sind alle gefragt. Wir können Menschen in die Politik wählen, die den Mut haben, gewisse Entscheidungen zugunsten einer nachhaltigen Mobilität und lebenswerten Städten zu treffen.
Dann soll der erste Schritt von den Bürgerinnen und Bürgern kommen und nicht von der Politik?
Es ist ein Zusammenspiel. Es gibt bereits viele Menschen, die ihren Teil zum Mobilitätswandel beitragen. Es wäre schön, wenn noch mehr den Mut hätten, etwas auszuprobieren.
Damit schliesst sich der Kreis: Ein autofreier Monat ist eine wunderbare Möglichkeit, Neues auszuprobieren und zu schauen, was das mit einem macht.
Absolut. Es hilft, das eigene Verhalten zu hinterfragen. Und es tut gut.
Bilder: Philipp Schmidli
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