Die Ära der bidirektionalen E-Autos steht vor der Türe, doch für die breite Anwendung der Technologie brauchts noch ein paar Jahre. Das ist die stark vereinfachte Erkenntnis aus dem Pilotprojekt V2X Suisse von Mobility. Das Carsharing-Unternehmen hat während eineinhalb Jahren 50 bidirektionale E-Autos als Teil der Flotte betrieben und getestet – zusammen mit sechs Partnern und der Unterstützung des Bundesamts für Energie (siehe Box). Die Autos haben dabei nicht nur Strom bezogen, sondern bei Bedarf auch ins Netz zurückgegeben. Die Erwartungen an diese Technologie sind gross, da E-Autos in Zukunft mithelfen könnten, das Stromnetz zu stabilisieren. Denn wenige tausend bidirektionale Autos können die gleiche Leistung bereitstellen wie ein Pumpspeicherkraftwerk.
Carsharing als komplexester Fall
Mit dem Ende des Projekts ziehen die Verantwortlichen nun ein positives Fazit. Erstens hat das System technisch funktioniert und zweitens konnte man beweisen, dass die Autos in Sekundenschnelle Strom liefern, wenn das entsprechende Signal vom Netzbetreiber kam. Das V2X-Projekt hat erstmals gezeigt, dass es möglich ist, viele E-Autos im Zusammenschluss zu einem virtuellen Speicher zusammenzunehmen und den Energie-Fluss in Echtzeit zu steuern. Mobility stellte mit ihren Fahrzeugen und Infrastruktur die perfekte Umgebung für diesen Test bereit. «So konnten wir den wohl komplexesten Anwendungsfall untersuchen – mit Autos, die in der ganzen Schweiz bei verschiedenen Stromanbietern platziert sind und jederzeit für geteilte Fahrten zur Verfügung stehen müssen», sagt Pascal Barth, Elektroingenieur bei Mobility. Das zeige: «Wenn bidirektionales Laden im Carsharing-Fall geht, sollte es überall machbar sein.»
Für einen wirtschaftlichen Betrieb müssen die Preise sinken
Neben der technischen Machbarkeit untersuchte das Projekt auch, ob sich mit einer bidirektionalen Autoflotte Geld verdienen lässt. Die Kurzantwort: (noch) nicht. Zuerst müssen die wirtschaftlichen Bedingungen für netzdienliche Dienstleistungen attraktiver werden. Zwar hat V2X Suisse herausgefunden, dass sich bereits heute mit dem Laden und Entladen zum passenden Zeitpunkt Einnahmen generieren lassen – bis zu 600 Franken pro Fahrzeug und Jahr. Damit konnten die Kosten in der Testphase aber bei Weitem nicht gedeckt werden. Unter anderem wegen den sehr hohen Preisen für bidirektionale Ladestationen. Hinzu kommt, dass die Auswahl an bidirektionalen E-Autos nach wie vor verschwindend klein ist und es an interoperablen Normen fehlt. Letzteres hat zur Folge, dass heute für die Steuerung einer Flotte Speziallösungen nötig sind, die nicht mit unterschiedlichen Automarken oder Ladestationen kompatibel sind.
«Das Angebot an bidirektional ladenden Autos hat sich weniger schnell entwickelt, als erhofft», sagt V2X-Projektleiter und Branchenkenner Marco Piffaretti. Trotzdem ist er zuversichtlich: «V2X Suisse hat viele positive Reaktionen ausgelöst und der bidirektionalen Technik Aufschwung verliehen. Wir senden ein starkes Zeichen an die Autohersteller, mehr und günstigere dieser Fahrzeuge auf den Markt zu bringen.»
Wegfall der doppelten Netzgebühr ab 2025
Immerhin eine Rahmenbedingung wird sich bereits ab 2025 deutlich verbessern, da das Schweizer Stimmvolk am 9. Juni das Stromgesetz angenommen hat. Dieses ermöglicht zum Beispiel die Rückerstattung der doppelten Netzgebühren, die bis anhin die Rückspeisung von Strom ins Netz finanziell unattraktiv gemacht haben. Zudem legt das Gesetz die Grundlagen für einen Flexibilitätsmarkt bei den lokalen Verteilnetzbetreibern. Die entsprechenden Verordnungen werden nun durch die Bundesverwaltung erarbeitet.
Mobility setzt den Fokus auf intelligentes Laden
In ein paar Jahren wird es möglich sein, eine dezentrale E-Autoflotte netzdienlich und vor allem wirtschaftlich betreiben zu können. Bis dahin pausiert Mobility das Thema bidirektionales Laden und fokussiert sich auf die laufende Elektrifizierung der Flotte. Das Unternehmen hat bereits 600 der rund 3000 geteilten Autos auf Elektro umgestellt – inklusive Ladestationen – und treibt den Wandel weiter voran. «Das V2X Suisse Projekt war für uns eine super Möglichkeit, viel über Entwicklungen und Technologien der Elektromobilität und der Energiemärkte zu lernen», sagt Mobility-CEO Roland Lötscher. «Die Erkenntnisse nutzen wir, um unsere Elektroflotte künftig intelligenter zu laden. Dies wird sich nicht nur finanziell positiv auswirken, sondern auch die Lebensdauer der Autobatterien verbessern.» Es sei durchaus denkbar, dass Mobility das Thema bidirektionales Laden in Zukunft wieder aufnehme. «Denn V2X Suisse hat eindrücklich das Potenzial dieser Technologie für die Schweiz und für Flottenbetreiber aufgezeigt.»
ÜBER V2X
Hinter «V2X Suisse» stehen sieben Unternehmen, wobei der Projektlead bei Mobility liegt. Zudem dabei: Automobilhersteller (Honda), Software-Entwickler (sun2wheel), Ladestationen-Entwickler (EVTEC), Aggregatoren (tiko), wissenschaftliche Begleitung (novatlantis, in Zusammenarbeit mit der ETH Zürich). Das Projekt wird durch das Pilot- und Demonstrationsprogramm des Bundesamts für Energie BFE unterstützt. Der Schlussbericht ist ab Spätsommer auf der ARAMIS-Datenbank des Bundes öffentlich einsehbar: aramis.admin.ch
Mehr Infos findest du hier.
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