Der Mensch von heute hat den Anspruch, seinen Lebensstil individuell zu gestalten. Wahlfreiheit ist dabei das grosse Schlagwort. Wie widerspiegelt sich dies im Bereich der Mobilität?
Sie wird multimodaler und vielfältiger. Heisst: Immer mehr verschiedene Angebote von immer mehr Anbietern stehen uns im Alltag zur Auswahl. Das sieht man beispielsweise gut an der Entwicklung Ihres Unternehmens Mobility. Während man die Autos früher immer zum Ausgangspunkt zurückbringen musste, können Ihre Nutzer heute auch Freefloating nutzen. Solche Fortschritte finde ich positiv, denn es sollten dringend mehr Leute von Sharing begeistert werden.
Aber die Schweiz ist doch bereits das Sharing-Land Nummer eins?
Drei Prozent der Führerausweisbesitzer für Personenwagen nutzen hierzulande Carsharing. International gesehen mag das zwar top sein, für ein Land mit einem so gut ausgebauten ÖV-Netz und derart vielen Sharing-Angeboten wie die Schweiz empfinde ich es aber als zu wenig. Da liegt definitiv noch was drin – und das ist umso nötiger, als dass jeder Beitrag zur Energiewende willkommen ist.
Der Bund will die Energiewende gemäss Pariser Abkommen bis 2050 erreicht haben. Realistisch oder bloss ein Papiertiger?
Eine zentrale Kennzahl der Energiestrategie besagt, dass pro Kopf höchstens eine Tonne CO2 pro Jahr ausgestossen werden soll. Wenn man bedenkt, dass allein ein Hinflug von Zürich nach Bangkok diesen Wert um die Hälfte überschreitet, sieht man, wie hochgesteckt die Ziele sind. Verstehen Sie mich nicht falsch, genau dieser Weg ist richtig und nötig, und die Staaten unternehmen auch schon einiges, um voranzukommen. Aber noch reicht das nicht: Es braucht mehr Rahmenbedingungen und Regelungen in verschiedensten Bereichen, auch in der Mobilität.
Womit sich der Kreis zur Wahlfreiheit schliesst: Sie glauben also nicht, dass die Menschen ihr Konsumverhalten der Umwelt zuliebe verändern?
Der Umweltgedanke verankert sich glücklicherweise immer stärker in den Köpfen, zumal die gesellschaftlichen und politischen Diskussionen zu diesem Thema ja in vollem Gange sind. Ich denke, heute ist sich jeder bewusst, ob persönliche Entscheidungen grundsätzlich positiv oder negativ auf die Umwelt wirken. Trotzdem ändern viele Leute ihr Verhalten nicht, lassen also keine konkreten Taten folgen. Deshalb bin ich überzeugt, dass man den Umschwung auch durch neue Rahmenbedingungen vorantreiben sollte.
Wie Abgaben auf Flüge?
Beispielsweise, ja. Wenn ich für 50 Franken nach London und zurückjetten kann, stimmt etwas mit der Kostenwahrheit nicht. Wobei es wichtig wäre, dass möglichst viele Länder an einem Strang ziehen. Sonst werden einfach vermehrt angrenzende Flughäfen genutzt. Ganz generell lässt sich sagen, dass Mobilität zu günstig ist, also auch der Autoverkehr oder der ÖV. Doch bloss die Preise zu beeinflussen, ist zu kurz gegriffen.
Was könnte man denn sonst noch unternehmen?
Gesellschaft und Staat können noch viel für die Mobilität der Zukunft tun. Ich sehe etwa grosses Potenzial darin, städtische Wohngebiete zu schaffen, welche Arbeit, Einkauf, Gastronomie und Freizeitangebote mit einschliessen. Wie zum Beispiel das Bauprojekt Himmelrich in Luzern. Dadurch entsteht ein Lebensstil der «kurzen Wege». In diese Richtung wirkt auch die Individualisierung unserer Arbeitswelt: Homeoffice, Co-Working und Co. reduzieren den Pendlerverkehr.
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