Der Deal ist folgender: Für 31 Tage muss der Autoschlüssel abgegeben werden. Im Tausch gibts unter anderem ein E-Bike, ein Schnupper-GA und ein Mobility-Testabo. So lautete das Experiment, an dem im Juni 100 Personen aus dem Kanton Bern teilnahmen.
Die Idee von 31days-Challenge stammt aus dem Pfadi-Bundeslager, umgesetzt wurde sie vom «ÖV42 Konsortium». Dieses besteht aus den SBB, der BLS, der Schweizerischen Südostbahn (SOB), der Postauto AG, dem Kanton St. Gallen sowie der Genossenschaft 42hacks. Letztere arbeitet daran, mehr Menschen vom eigenen Auto auf den ÖV zu bringen. «Mit innovativen und unternehmerischen Ansätzen fördern wir einen Umstieg vom motorisierten Individualverkehr und zu alternativen Verkehrsmitteln und dem ÖV, um unnötige Treibhausgas-Emissionen zu verhindern», erklärt Mitbegründerin Jessica Schmid.
Wie aber sieht das Leben ohne eigenes Auto in der Praxis aus? Wir wollten es wissen und haben mit Menschen gesprochen, die den Versuch gewagt – und ganz unterschiedliche Erfahrungen gesammelt haben.
Die Grassis: Die Freiheit, Neues zu entdecken
Andreas Grassi und seine Frau Katy Rhiner Grassi haben es tatsächlich getan. Sie haben den Schlüssel abgegeben – und zwar definitiv. Noch während der 31days-Challenge verabschiedeten sie sich von ihrem Peugeot 208. Nach 50 Jahren als Autobesitzer unternahm Andreas Grassi jenen Schritt , den er und seine Frau schon eine ganze Weile in Betracht zogen. «Ursprünglich wollten wir das Auto eher Ende Jahr abgeben», erklärt der pensionierte Berufsschullehrer. «Nun haben wir diese Challenge genutzt, um Nägel mit Köpfen zu machen.»
Die Reaktionen aus dem Umfeld liessen nicht lange auf sich warten, wie Katy Rhiner Grassi verrät: «Es kamen ganz viele «Aber»-Fragen. ‹Aber wie macht ihr das? Aber wie kommt ihr denn dahin? Aber was ist, wenn…?.›»Tatsache ist, dass die beiden für jedes «Aber» eine Antwort fanden. Andreas Grassi sagt: «Sobald man aufs Auto verzichtet, verschieben sich der Fokus und die Wahrnehmung der eigenen Mobilität.»
Ein Beispiel: Seit Jahren reist das Ehepaar regelmässig vom heimischen Thun ins Ferienhaus im Tessin. Meist via Simplonpass. «Mit dem Auto ist man extrem darauf fokussiert, möglichst schnell von A nach B zu kommen», erklärt Andreas Grassi. «Mir wäre es in all den Jahren nie in den Sinn gekommen, in Simplon Dorf einen Zwischenhalt einzulegen.» Ohne Auto unterwegs, wirft das Ehepaar erstmals einen Blick auf die ÖV-Verbindungen. «Nachdem wir bemerkt haben, wie gut die Verbindungen entlang der Route sind, haben wir uns kurzfristig entschlossen, einen Zwischenhalt in Simplon einzulegen. Wir sind absolut angetan von diesem Örtchen. Mit dem Auto hätten wir es nie für uns entdeckt.»
Colette Kappes: Chäs und Brot, Retour
Colette Kappes (38) lebt mit ihrer Familie ausserhalb der Stadt Bern, in dem kleinen Weiler mit dem wunderbaren Namen Chäs und Brot. Und wie in vielen ländlichen Gebieten gehört das Auto hier oft zur Standardausrüstung. Dennoch – oder vielleicht auch gerade deshalb – haben Colette Kappes, ihr Mann, die beiden Kinder, Hund und Katze einen Monat aufs private Auto verzichtet – wobei die Katze nie besonders Auto-affin gewesen sei. «Wir wohnten in der Vergangenheit ein Jahr in Berner Stadtzentrum und lebten dort gut ohne Auto», sagt Colette Kappes. Seither hätten sie öfters mit dem Gedanken gespielt, sich vom Auto zu trennen. «Die 31days-Challenge war eine super Gelegenheit, zu testen, wie sich das in der Praxis anfühlt.»
Gesagt, getan. Ihr erstes Fazit fällt positiv aus. «Natürlich spielte das tolle Wetter vor allem dem E-Bike in die Hände. «Ich würde den Test gerne nochmals im Herbst/Winter machen, wenn das Wetter weniger freundlich ist.» Die Familie nutzte im Testmonat neben dem E-Bike den ÖV sowie Carsharing von Mobility. Letzteres in erster Linie, um ihren Hund zur Hundeschule zu bringen. «Wenn Mobility jetzt noch ein Standort bei uns realisiert, wäre das eine perfekte Ergänzung.»
Wer sich mit Colette Kappes unterhält, der spürt: Die 31days-Challenge hat bei ihr und dem Rest der Familie einiges ausgelöst. Und tatsächlich: «Nach reiflicher Überlegung haben wir uns dazu entschieden, uns vom eigenen Auto zu verabschieden.» Ende Juli fand der geliebte alte Volvo einen neuen Besitzer. Wir gratulieren!
Patrik Ritter: Das E-Bike als Offenbarung
Von wegen in den Sozialen Medien stehe nur Quatsch: Es war ein Werbebanner für die 31days -Challenge auf Facebook, der Patrik Ritter (39) ins Auge sprang. «Ich fand die Idee interessant und besprach sie mit meiner Partnerin.» Nach minimaler Überzeugungsarbeit wagten sie es, ihren VW-Passat für einen Monat aufs sprichwörtliche Abstellgleis zu stellen.
Patrik Ritter machte insbesondere mit dem E-Bike positive neue Erfahrungen. «Die Fahrten zur Kita mit dem Sohn im Anhänger haben Spass gemacht – der Fitnessaspekt ist zudem eine willkommene Nebenwirkung.» Und: «Mit dem E-Bike lassen sich kleinere Besorgungen ohne lange Parkplatzsuche erledigen.»
Während der Informatiker teilweise vom Zuhause in Münsingen arbeitet, nutzt seine Partnerin den ÖV und Mobility von Berufswegen. Dieser kombinierten Mobilitätslösung kann Ritter viel abgewinnen, sieht jedoch auch Herausforderungen: «Gerade mit einem Kleinkind ist die Praktikabilität eines eigenen Autos nur schwer zu schlagen.»
Auch das GA sei an sich ein interessantes Angebot, als junge Familie sei der «Reisehorizont» aber momentan zu klein, um das Angebot richtig auskosten zu können. «Was ich für mich aber gelernt habe, ist bewusster zu entscheiden, welche Mobilitätsform ich wann nutze.»
Bilanz?
- Alle 100 Teilnehmer:innen haben das 31days-Experiments ohne eigenes Auto durchgezogen.
- 27 Prozent der Autos sind während oder nach der Challenge verkauft worden. Zwölf Haushalte sind damit komplett autofrei, sechs Haushalte haben nur noch ein Auto statt zwei.
- Weitere 26 Haushalte bleiben zwar beim eigenen Auto, investieren aber in Reka RAIL, in ein Ausflugs-Abo oder ein GA.
- 90 Prozent gaben nach der Challenge an, dass sie künftig ihr Auto bewusster oder weniger nutzen werden.
Interview zur Digitalisierung der Mobilität: «Bequemlichkeit ist ein entscheidender Faktor»
Thomas Sauters-Servaes leitet den Studiengang Verkehrssysteme an der ZHAW School of Engineering. Der Mobilitätsforscher sieht insbesondere in der Digitalisierung grosse Chancen für eine nachhaltige Umverteilung des Verkehrs.
Thomas Sauters-Servaes, die befragten Teilnehmerinnen und Teilnehmer der 31days -Challenge haben positiv auf das Experiment reagiert. Gleich mehrere haben sich sogar ganz von ihrem Auto verabschiedet. Was braucht es, damit dies noch mehr Menschen tun?
Thomas Sauters-Servaes: Die Bequemlichkeit ist ein entscheidender Faktor. Das Schöne am Auto: Es ist der ultimative Komplexitätsreduzierer: Navi an – und los geht’s. Ab dann heisst es «nutzen ohne nachzudenken». Alle anderen Möglichkeiten benötigen noch bedeutend mehr Planungsaufwand im Vorfeld und beim Gebrauch.
Wie könnte dieser Planungsaufwand reduziert werden?
Thomas Sauters-Servaes: Vielleicht stellt eine Kreuzung aus Amazons Alexa und OpenAI-Systemen wie ChatGPT die Lösung dar: ein persönlicher Mobilitäts-Bot, der mir vor dem Hintergrund meiner Präferenzen stets die beste Kombination von Verkehrsmitteln zusammenstellt. Anstrengende Entscheidungen entfallen, die besten Tarife bucht die Software automatisch – und bei Verkehrsstörungen werde ich sanft «umgeleitet».
Liegt die Zukunft der Mixed-Mobility-Angebote in einer noch stärkeren Individualisierung?
Thomas Sauters-Servaes: Dies könnte die Chance sein, die uns die Digitalisierung bietet: Ohne fühlbaren Komplexitätszuwachs kann mir mein virtueller Mobilitätsassistent ein Angebot auf meine Bedürfnisse zuschneiden. Der Tarifdschungel im Hintergrund muss mich als Nutzenden nicht interessieren. Voraussetzung bleibt aber, dass das Angebot von ÖV und Sharingwelt so gut ist, dass sich daraus attraktive, verkehrsmittelübergreifende Fahrten basteln lassen.
GoSimple: Startschuss in ein einfacheres Leben
Mobility wird auch in Zukunft innovative Projekte unterstützen, die eine nachhaltige Gesellschaft zum Ziel haben. Das nächste Projekt steht in den Startlöchern: Im Raum Basel lädt das Projekt GoSimple Haushalte zu einem fünfmonatigen Versuch ein, genügsamer und zukunftsfähiger zu leben. Mittels Workshops, Experten-Talks und diversen Austauschmöglichkeiten sollen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ihren Alltag einfacher, genügsamer und umweltfreundlicher gestalten. Neben den Themen Ernährung, Konsum und Stressreduktion, wird auch das persönliche Mobilitätsverhalten thematisiert. Das Gruppenprogramm startet im September, mehr Infos gibt’s hier.
Bemerkungen
Wer aber eine Familie hat, mit kleinen Kindern, auf dem Land lebt, z. B. im Haus der Eltern, zeigt für solche Leute Lösungen auf. Das sind die wahren Helden einer solchen Challenge! Danke!
wer wie ich am 15 km von Basel entfernten lörracher Stadtteil Salzert autofrei gelebt hat, der weiss, wie wichtig Planen und Strukturieren dafür ist. Mit den in 15 min. Fussweg erreichbaren www.my-e-car.de Fahrzeugen war das für mich in 5Jahren nie ein Problem. Aber klar ist auch: Meine Frau und ich wollten mit Kleinkind so leben statt weiter zu jammern, das sei nicht möglich...
Ich hatte noch nie ein eigenes Auto besessen. Eine Zeit lang war ich gezwungen ein Geschäftsauto zu fahren. Seit Jahrzehnten bin ich Mobility Kunde. Bin ich mal in den Ferien miete ich mir ein Auto. Im übrigen fahre ich auch immer noch ein ganz normales Fahrrad. Das werde ich auch weiterhin tun. Dieser trügerischen E- Welle kann ich auch nichts positives abgewinnen. vieleicht in 20/30 Jahre mal falls ich Unterstützung brauche, oder das Lithium Thema ausgereift ist und wir keine neuen AKW's brauchen um die ganzen Stromfresser zu füttern.
Mobility ist cool. Ich habe zur jeder Zeit das passende Auto. Vom smart. Combi übers Cabriolet bis zum Van und Transporter.
Unser Auto ist vor 18 Monaten kaputt gegangen und wir haben uns entschieden, das Experiment ohne Auto zu machen. Als erstes habe ich mein Mobility Account reaktiviert und ... es passt. Wir haben uns entschieden auf ein Auto zu verzichten und freuen uns auch über die Einsparungen, die wir ohne Auto.
Mobility hat sich bis jetzt sehr gelohnt.
Freundliche Grüsse
Jan Stettler
Was die Sache etwas erleichtert und ihr nach Möglichkeit bestimmt schon ausprobiert habt: Den Mobility-Wagen zuerst nach Hause holen und dort alle und alles einladen. So erspart man sich zumindest etwas von der Schlepperei...
Unter Freunden werde ich ja bemitleidet da sie meinen das ich das eigene Auto mir nicht mehr leisten könne ,auch bin ich ja nicht soo der Öko typ
Ich bin nun schon seit 2015 ohne eigenes Auto. Dafür habe ich ein Velo, ein E-bike, das GA und 1 Velo-GA. Es geht wunderbar so und wenn ich mal ein Auto brauchte, bin ich bei Mobility.
Beste Grüsse
M.Schnetzer